SCHICKSALE

AUS DEM FRAUENHAUS

 

Alle Berichte aus redaktionellen Veröffentlichungen des HANAUER ANZEIGER

"VOM EHEMANN GRÜN UND BLAU GESCHLAGEN"

Frauenhaus war für Thekla S. der Rettungsanker

 

Ihr Aufenthalt im Hanauer Frauenhaus liegt schon über 30 Jahre zurück. Doch noch heute erinnert sich Thekla S. dankbar daran, wie ihr damals geholfen wurde. Die kleine Frau mit dem Kurzhaarschnitt macht um ihre Geschichte nicht viel Worte. Und auch vor 30 Jahren hat sie,  außer mit einer Freundin, die sie im Frauenhaus kennen gelernt hat und die ihre Erfahrungen teilte, nicht oft über ihre Geschichte gesprochen.

 

Sie war zum zweiten Mal verheiratet und hatte zwei kleine Söhne im Alter von vier und acht Jahren, als ihr Mann im Alkoholnebel einen Unfall verursachte und den Führerschein entzogen bekam. Für den Dachdecker war dieser Vorfall Anlass, immer häufiger zur Flasche zu greifen – und dann betrunken seine Frau zu schlagen. Häufig ging es dabei darum, dass er Sex wollte, sie aber nicht.

„Er hat mich vergewaltigt und mich verprügelt“,

erinnert sich Thekla.

„Damals wusste ich noch nicht, dass es ein Frauenhaus gibt, obwohl ich ganz in der Nähe gewohnt habe.“

Ein Bekannter, der bei der bei der freiwilligen Feuerwehr engagiert war, hatte sie mehrfach auf die blauen und grünen Flecken im Gesicht und am ganzen Körper angesprochen und sie an einem Abend kurzerhand mit ihren beiden Kindern ins Frauenhaus gebracht.

„Damals bin ich ohne lange zu überlegen einfach mitgegangen, ohne Kleider, ohne Papiere“,

sagt Thekla erleichtert. Die Umstellung von der eigenen Wohnung auf die Gemeinschaftsunterkunft fiel ihr nicht leicht. Denn nun musste sie sich dreieinhalb Monate lang den beengten Raum mit vielen anderen Frauen und deren Kindern teilen. Aber, dass sie auch ihr Schicksal teilen konnte und in den Sozialarbeiterinnen im Frauenhaus Ansprechpartnerinnen hatte, die ihr zuhörten, tat ihr gut. „Man hat mir geholfen, das zu bekommen, was mir zusteht, eine Rechtsanwältin, die ins Haus kam, half mir die Scheidung über die Bühne zu bringen“. Und zu guter Letzt habe die Anwältin auch dafür gesorgt, dass sie die Wohnung zugewiesen bekam, aus der sie geflüchtet war.

 

In den folgenden Jahren kam sie gut alleine zurecht, fand wieder einen Mann, bekam noch eine Tochter und fand kurz darauf bei einem Versandhaus eine Arbeitsstelle.

„Bei meinem jetzigen Mann habe ich sehr genau darauf geachtet, dass er nicht trinkt“

sagt Thekla S. heute. Und auch bei der Erziehung ihrer Söhne habe sie großen Wert darauf gelegt, ihnen immer wieder klar zu machen, dass sich Probleme weder mit Alkohol, noch mit Gewalt lösen lassen. Inzwischen ist Thekla S. Großmutter. Mit ihrem Exmann hat sie keinerlei Kontakt mehr und hatte auch nie das Bedürfnis, sich mit ihm über das auseinanderzusetzen, was früher schiefgelaufen ist.

 

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"DIE ANGST VERFOLGT SIE WIE EIN SCHATTEN"

Gewalttätiger Alkoholiker statt liebevoller Ehemann – Für Britta R. ist die externe Beratung des Frauenhauses eine große Hilfe.

 

Eine glückliche Ehe, der Traum von einer intakten Familie – für Britta R. (Name von der Redaktion geändert) ist das alles Illusion geblieben. Die junge Frau hat Angst um ihre Tochter, hat Angst vor ihrem Mann. Die Tränen rollen über ihre Wangen. Britta R. nimmt seit einem Jahr die externe Beratung des Hanauer Frauenhauses in Anspruch.

„Wenn er verbal nicht mehr weiter wusste, ist er gewalttätig geworden“,

schildert Britta R. ihre Situation. Alkohol sei vor der Hochzeit schon ein Thema gewesen, Gewalt nicht. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter hat Britta auf Hilfe und Entlastung durch ihren Ehemann gehofft. „Er hatte Urlaub und hat sich trotzdem nicht nicht um die Kleine gekümmert“, erzählt die zierliche Frau und ergänzt, „er hat einfach nichts gesagt und mich links liegen lassen.“

Die glückliche Ehe der Eltern vor Augen, habe sie fast ein Jahr lang alles in sich hineingefressen. „Ich hatte eine wunderschöne Kinderzeit, bin blauäugig in die Ehe gegangen und dachte immer, diese Ehe muss so sein, wie die meiner Eltern.“ Als ihre Tochter sieben Monate alt war, schlug er sie zum ersten Mal ins Gesicht.

„Danach hat er mir den Geldhahn zugedreht und ist sogar gegenüber dem Baby aggressiv geworden.“

Körperliche Gewalt gab es ihr gegenüber dann auch in Anwesenheit des Kindes.

Britta R., eine Frau aus gutbürgerlichen Verhältnissen, hat weiter geschwiegen, wie so viele andere Frauen, denen Gleiches geschieht.

„Er hat es geschafft, mich einzuschüchtern. Ich habe oft nachgegeben und vieles akzeptiert, auch aus Rücksicht dem Kind gegenüber“,

sagt die dunkelhaarige Frau, die immer wieder das Gefühl hatte, selbst Schuld zu sein an der Situation. Neben der körperlichen Gewalt sei die psychische Einschüchterung am Schlimmsten gewesen.

Er hat gedroht, mir die Kleine wegzunehmen und meinen Eltern etwas anzutun.“

Offenbart hat sie sich zum ersten Mal einer Freundin gegenüber am Telefon. „Als mein Mann – eigentlich ein ganz unscheinbarer Typ – das mitbekam, hat er einfach den Stecker des Telefon rausgezogen.“ Danach hat Britta R. das Gespräch mit ihren Eltern gesucht. Die reagierten verständnisvoll, erklärten ohne Vorwürfe, dass die Tür für sie und ihre Tochter jederzeit offenstehe.

„Wenn ich solche Eltern nicht gehabt hätte, dann wäre ich von der Brücke gesprungen.“

Die Entscheidung ihren Mann zu verlassen, stand für sie damals schon fest. Das war vor zwei Jahren. Damals hat Britta nicht gleich eine eigene Wohnung gefunden und auch die externe Beratung des Hanauer Frauenhauses nimmt sie erst seit einem Jahr in Anspruch. Als sie erzählt laufen wieder Tränen über ihre Wangen. „Ich weine aus Freude“, sagt sie und greift nach dem Taschentuch, „weil es mir seither wirklich besser geht. Ich habe Menschen gefunden, die mir zuhören und mich verstehen.“ Es gehe ihr noch nicht „supergut“,  aber  es helfe.

Die Gespräche finden in unregelmäßigen Abständen statt. „Wenn mehr passiert und es mir schlechter geht, dann bin ich häufiger hier, weil ich Hilfe suche und jemanden, der mir die Hand reicht“. Die Beratungen im Hanauer Frauenhaus seien wichtig. Hier könne sie ihre Wut entladen und die ganzen Emotionen aus sich herauslassen.

Mit dem Gedanken, direkt ins Frauenhaus zu gehen, hat Britta R. auch gespielt und das in ihrer Situation, die nicht so bedrohlich gewesen sei, wie die anderer Frauen.

 „Ich habe mich gefragt, was passiert danach, und was wird mit meinem Beruf und mit meinem Kind. Ich hatte einfach Schiss auszusteigen“,

gibt sie unumwunden zu. „Wenn es kracht, weiß ich trotzdem, wo ich hingehen kann. Das gibt mir ein Gefühl der Sicherheit.“

 

Dennoch hat die Angst Britta R. in den vergangenen zwei Jahren verfolgt wie ein ständiger Schatten. „Mein Mann – wie ich heute weiß Alkoholiker – hat mir nachgestellt, hat versucht meine Freizeit und mein Leben zu kontrollieren.“ Trotzdem ist ihm als Vater das Recht geblieben, seine Tochter in regelmäßigen Abständen zu sehen. Eltern bleiben eben Eltern, auch wenn sie sich auf Paarebene nicht mehr verstünden oder etwas vorgefallen sei, bleibe das Recht des Kindes auf den Vater bestehen, erklärt Margit Denné, Mitarbeiterin im Frauenhaus.

 

„Bei Besuchsübergaben ist immer jemand bei mir. Ich lasse ihn nicht in die Wohnung, ich bin vorsichtig geworden“, sagt Britta, die ihrer Tochter den Vater, trotz allem was vorgefallen ist, nicht vorenthalten will. „Einmal hat er mich bei einer Besuchsübergabe ums Haus gelockt und mir Gewalt angetan.“ Ein Nachbar kam ihr zu Hilfe.

 

Gewalttätig dem Kind gegenüber ist der Mann, der mittlerweile in einer neuen Beziehung lebt, bisher nicht geworden. „Im Moment geht es mir schlechter, weil mir die Angst im Nacken sitzt, dass er mir mein Kind wegnehmen will.“ Im laufenden Sorgerechtsprozess wird der Richter in einigen Tagen ein Urteil sprechen. Häufig stellten gewalttätige Männer ihre Situation vor Gericht so dar, als seien sie das von der Frau provozierte Opfer, dem nur die Hand ausgerutscht sei. „Du bist daran schuld, dass ich mich nicht im Griff habe.“ Für Margit Denné sind das Aussagen unreifer Menschen, die kein Unrechtsbewusstsein haben.

Britta R. hat viele Wünsche für die Zukunft: „Ich möchte wieder Vertrauen in mich und andere Menschen haben, Spaß an der Arbeit und das Gefühl, dass ich alles wieder packen kann.“ Im Moment muss sie tagsüber für ihre Tochter funktionieren.

Abends aber hat sie das Gefühl, keine Zukunft zu haben.

 

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"SONST MACHT MAN SICH IMMER KLEINER"

Petra F. hat es durch das Frauenhaus geschafft,

das Leben selbst in die Hand zu nehmen

 

Mit hängenden Schultern und eingezogenem Kopf steht Petra F. (Name von der Redaktion geändert) vor dem Hanauer Frauenhaus. Die zierliche 28 Jährige hat ein schlechtes Gewissen, dass sie nun schon zum dritten Mal hier Zuflucht sucht:

Ihr Ehemann hat sie wieder mit Schlägen und Fußtritten misshandelt.

Petra hat ein blaues Auge und mehrere Blutergüsse. „Nehmt ihr mich überhaupt noch einmal auf?“ fragt die braunhaarige Frau und versichert im gleichen Atemzug:

„Diesmal schaffe ich es bestimmt,  auf eigenen Füßen zu stehen.“

Das liegt jetzt mehrere Jahre zurück. Inzwischen hat Petra F. einen Job in einem Supermarkt und lebt mit ihren beiden Kindern in einer eigenen Wohnung. „Es war ein harter Weg“, sagt sie heute rückblickend und seufzt. Aber sie ist sehr stolz darauf, die alten Bindungen zum Ehemann und zur Schwiegermutter abgebrochen und ein neues Leben aufgebaut zu haben. „Ohne die Hilfe der anderen Frauen im Frauenhaus und ohne die Unterstützung der Betreuerinnen hätte ich das nie gepackt“, zieht Petra F. Bilanz. Für sie war das allergrößte Problem, mit dem Schuldgefühl fertig zu werden, ihre Familie zerstört zu haben. Umso mehr, da sie selbst ein Heimkind war. „Als ich zwölf war, starb meine Mutter, mein Vater war Alkoholiker und konnte sich nicht um mich kümmern.“ So war der Wunsch nach einem heilen Familienleben für Petra allgegenwärtig. Als sie ihren späteren Mann kennenlernte, wusste sie es also sehr zu schätzen, dass sich dessen Mutter intensiv um beide kümmerte, an ihrem Leben Anteil nahm und stets Rat wusste.

Viel zu spät erkannte sie, dass sich die Frau ganz massiv in das Leben des jungen Paares einmischte,

bei der Erziehung der im Abstand von zwei Jahren geborenen Kinder Mitsprache forderte und zudem Petras Mann immer wieder bedrängte, klar Partei gegen seine Ehefrau zu ergreifen, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten kam. Auch als die Liebe zum Ehemann schon abgekühlt war und er sie zu schlagen begann, wagte sie es nicht aufzubegehren. Und schon gar nicht an Scheidung zu denken. „Ich konnte doch nicht meinen Kindern den Vater wegnehmen, wo ich selbst ohne Mutter und Vater groß werden musste“, erklärt die Frau, weshalb die Loslösung so lange Zeit brauchte. Wann immer sie Unterstützung bei der Schwiegermutter und Schutz vor den Schlägen ihres Mannes suchte, erklärte ihr diese, dass sie selbst Schuld am Verhalten des Mannes habe. Sie müsse halt häufiger nachgeben. Als die Angst vor der Gewalt des Mannes zu groß wurde, kam sie durch eine Freundin ins Hanauer Frauenhaus. „Aber ich habe drei Anläufe gebraucht, bis ich es wirklich geschafft habe“, schildert Petra F. ihre Schwierigkeiten.

„Jedes Mal habe ich gedacht, ich kriege unsere Beziehung doch irgendwie wieder hin.“

Doch mit der Zeit hat sie im Frauenhaus ihre eigene Sprache wiedergefunden, hat gelernt, ihre eigene Meinung auch gegen Mann und Schwiegermutter zu vertreten, hat in langen Gesprächen mit Betreuerinnen wie Mitbewohnerinnen erfahren, dass sie auch eine gute Mutter ist, wenn sie sich für ein Leben ohne den Erzeuger ihrer Kinder entscheidet. „Auch die eigene Wohnung und den Job hätte ich bestimmt nicht gefunden, wenn mir das Frauenhaus nicht bei den Behördengängen und dem ganzen Formularkram geholfen hätte“, blickt Petra F. dankbar zurück. Die erste Zeit in der neuen Wohnung war für die junge Frau nicht leicht. Immer wieder tauchten der Mann und die Schwiegermutter auf und bedrängten sie. Doch auch hier hätten die Betreuerinnen im Frauenhaus ihr sehr geholfen. Sie knüpften Kontakte zu einer Nachbarin, hielten Verbindung mit ihrem Ehemann, führten immer wieder Gespräche und bestärkten sie in ihrem Handeln. Petra hat damals auch eingewilligt, die Familienhilfe in Anspruch zu nehmen, die zweimal in der Woche kam um ihr bei der Bewältigung ihres Alltags und der Kindererziehung zu helfen. Anderen Frauen, denen es geht wie ihr, macht Petra Mut:

„Wer vom Mann geschlagen wird muss raus, auch wenn es noch so schwer fällt. Sonst macht man sich immer kleiner und ist irgendwann gar nicht mehr da.“

Mit der Unterstützung des Frauenhauses könne es jeder schaffen, das Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, versichert sie. Petra F. ist dafür ein glaubhaftes Beispiel.

 

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(HILFE)

TEL 06181 12575